Männliche Gewaltbetroffenheit im fachlichen Diskurs – Fachtag der LAG Jungenarbeit „Verletzte Jungs“ mit großer Beteiligung

Am 23.06. fand bereits der zweite Fachtag der LAGJ im Jahre 2015 statt, diesmal in Kooperation mit LuCa e.V. und Fairmann e.V. (beide Heidelberg) und der Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg e.V.  (Stuttgart). 120 Fachmänner und -frauen kamen zum Thema: „Verletzte Jungs. Die verdeckte Seite des männlichen Geschlechts“ in die Internationale Jugendherberge nach Heidelberg. Alle 5 Workshops waren restlos ausgebucht. Allein schon das hohe Interesse übertraf alle Erwartungen der Organisator*innen.

[Zur Kurzzusammenfassung]             [Zur Fotostrecke]              [Zum Kurzvideo]

[Fachtagsflyer]

Prof. Martin Dinges: (Kultur-)Geschichte männlicher Gewalt

In seinem Einführungsvortrag begründete Professor Martin Dinges aus historischer Perspektive mit vier gesellschaftlichen Zuschreibungen aus unterschiedlichen Epochen, warum hegemoniale Männlichkeitskonstruktionen Jungen auch heute noch oft im Wege stehen. Der zivilisatorische Firnis, der eine latente, von der Gesellschaft noch immer nur oberflächlich abgelehnte Gewaltbereitschaft verdecke, sei noch immer ziemlich dünn, so seine kritische Feststellung.

[Zusammenschau des Vortrags 1]

Hans-Joachim Lenz: Männliche Verletzungsoffenheit und ihre kulturelle Verdeckung

Mit Verweis auf Heinrich Popitz stellte er das Konzept der Verletzungsmacht dem der Verletzungsoffenheit gegenüber. Ausführlich präsentierte er Forschungsdesign, Ergebnisse und Empfehlungen der vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ aus dem Jahre 2004, an der er selbst aktiv mitgewirkt hatte. Nur ein Bruchteil der Gewaltwiderfahrnisse von Männern sei erfassbar, wenn die verdeckten Formen der Gewalt abgezogen werden, so ein Fazit. Die männliche Schutzwürdigkeit sei noch nicht als soziale Problemlage identifiziert worden. Folglich werde weder gesellschaftlich und politisch, noch in der Forschung die männliche Verletzbarkeit ernstgenommen und damit thematisierbar.

[Zusammenschau des Vortrags 2]      [PPP Vortrag 2]

WS 1: „Verletzungen von Jungen mit Migrationshintergrund (MigH) und mit anderen Zugehörigkeiten“ mit Olaf Jantz

O. Jantz betonte in seinem WS die Vielfältigkeit der Jungen, auf die in der praktischen Arbeit der Fokus liegen muss. „Männliche Bewältigung“ sei das Grundthema aller Jungen, egal ob mit oder ohne MigH. Er gab praxisbezogen Einblick in Lebenslagen, Themen und Bedürfnisse von Jungen, und besprach mögliche Zugänge von Fachkräften zu Jungen mit traumatischen oder in anderer Weise verletzenden Erfahrungen.

[Dokumentation WS 1]           [O. Jantz:Transkulturelle Jungenarbeit, in: BZgA-Forum I-2013]

WS 2:Es war doch nur Spaß“ Täterarbeit mit Jungen im Kontext sexualisierter Gewalt mit Dr. Reiner Blinkle

Im Workshop 2 setzten sich die Teilnehmenden mit der Rolle von Beschuldigten/sexuell übergriffigen männlichen Jugendlichen, aber auch von Psychotherapeut*innen, sozialen Einrichtungen und Politiker*innen im Kontext sexualisierter Gewalt auseinander. Der Referent verwies darauf, dass sich hinter jeder Tätergeschichte fast immer auch eine Opfergeschichte verberge. Gewalttaten seien oftmals der Versuch, Männlichkeit im erfahrenen Sinne wiederherzustellen. Der Referent vermittelte praktische Hinweise und Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit mit Jungen und Männern im Kontext sexualisierter Gewalt.

[Dokumentation WS 2]

WS 3: Ich bin Opfer! – Du bist Opfer! – „No Go´s” und wie Beratung mit von Gewalt betroffenen männlichen Heranwachsenden aussehen kann  mit Urban Spöttle-Krust

Der Referent vermittelte im WS zentrale Überlegungen, wie Menschen mit Opfererfahrungen ansprechen, Beziehungsarbeit leisten und professionell sozialarbeiterisch oder therapeutisch handeln können. Er fokussierte dabei auf einen holistischen Ansatz, der das Erlebte des Klienten in einer Lebenslinie einordnet und im Gesamtzusammenhang betrachtet.

[Dokumentation WS 3]

WS 4: Noch immer ein Tabu? – Jungen als Opfer von (sexualisierter) Gewalt mit Hans-Joachim Lenz

Anknüpfend an den Eröffnungsvortrag  „Männliche Verletzungsoffenheit und ihre kulturelle Verdeckung“ wurde im Workshop das Thema der (sexualisierten) Gewalt gegenüber Jungen vertieft. Anhand zweier Fallvignetten diskutierten die Teilnehmenden dabei, was (sexualisierte) Gewalt eigentlich ist, was Jungen brauchen, um über Gewaltwiderfahrnisse zu sprechen, wie sie geschützt werden können und welche gesellschaftlichen bzw. kulturellen Zusammenhänge es eigentlich so schwer machen, Gewalt an Jungen überhaupt wahrzunehmen bzw. schließlich darüber zu reden.

 [Dokumentation WS 4]                    [PPP WS 4]

WS 5: „Genderbashing“ – Jungs an den Grenzen heteronormativer Männlichkeitskonstruktionen mit Dr. Ines Pohlkamp

Der Workshop – orientiert an Dr. Ines Pohlkamps neuem Buch „Genderbashing – Diskriminierung und Gewalt an den Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit“ – nahm Jungen in ihren unterschiedlichen sexuellen Orientierungen in den Blick, bezog auch Trans- und Intersexualität ein und befasste sich mit den Verletzungen von Jungen, die sich nicht an Grenzen und Normensetzung hegemonialer Männlichkeit halten.  Dabei wurden auch Ursachen homophober Einstellungen und Männlichkeitsmuster freigelegt, Ansätze einer geschlechtergerechten Gruppenarbeit diskutiert und Bedingungen für eine akzeptierende Vielfaltsgesellschaft herausgearbeitet.

 [Dokumentation WS 5]                                  [Auszug WS „Genderbashing“]